Corona-Krise

DIZ-Geschäftsführer Dr. Jona A. Dohrmann bittet um Solidarität mit den Menschen in Indien

Offener Brief zur Corona-Krise

Neulich half ich meinen Nachbarn mit Klopapier, Nudeln und Öl aus. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, aber die Nachbarschaftshilfe kam dadurch zustande, dass es in den Supermärkten einen Mangel an Grundnahrungsmitteln und Sanitärartikeln gab. Natürlich keinen wirklichen, aber in dem Moment doch einen tatsächlichen und vielmehr noch einen gefühlten.

Wenn wir uns nun in die Lage von Menschen in Indien versetzen, die ebenfalls einen Mangel an Grundnahrungsmitteln und anderen Dingen – etwa medizinische Versorgung, ja auch Aufklärung über gesundheitliche Fragen spüren, können wir vielleicht ganz entfernt erahnen, wie sich diese Menschen fühlen müssen.

Das Gefühl ist vielleicht das gleiche: Angst davor, nicht genügend von etwas zu haben oder zu bekommen. Für die meisten Menschen in Deutschland ein Gefühl, das sie vermutlich nicht (mehr) kennen. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder das Wort „Solidarität“. Solidarität könne sich von einer Familie bis zu Staaten und Staatsgemeinschaften erstrecken. Genau das erleben wir in der gegenwärtigen Corona-Krise: Bisher konnten wir uns in vielen Dingen alleine durchschlagen. Nun müssen wir viel mehr Rücksicht aufeinander nehmen, als wir je erahnt haben.

Daher auch von meiner Seite der Appell an Sie: Seien Sie solidarisch miteinander in Deutschland und bewahren Sie bitte, bitte die Solidarität mit den Menschen in Indien! Sie werden Ihre Solidarität vermutlich mehr denn je benötigen! Die laufenden Projekte – Aufklärung zu Lepra, Tuberkulose und nachhaltiger Landwirtschaft in Nagpur und umzu in Zentralindien sowie die Bildungsförderung in Tiruvallur in Südindien bei Chennai – werden auch weiterhin unserer Unterstützung bedürfen und dürfen nicht vergessen werden!

Wir können nur hoffen, dass das Corona-Virus in Indien nicht solch eine Ausbreitung erfährt wie in China oder den USA, aber auch bei uns in Europa und Deutschland. Das wäre fatal. Momentan schauen viele Inderinnen und Inder mit Bangen nach Deutschland. Das Land schottet sich gegen Einreisen von hier ab und hat eine Ausgangssperre verhängt. Allerdings spielen sich schon dramatische Szenen in Indien ab, weil vor allem die Tagelöhner beschäftigten Menschen nun in ihre Dörfer und Orte zurückströmen, weil es aufgrund der Verhängung einer zunächst dreiwöchigen Ausgangssperre keine Arbeit mehr für sie gibt und sie damit keine Einnahmen mehr erzielen, um auch nur ihren Lebensunterhalt am Arbeitsplatz zu bestreiten, geschweige denn etwas für die Familie beiseitelegen zu können.

Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die deutschen Trägerorganisationen im weltwärts-Freiwilligendienst aufgefordert, die Nord-Süd-Freiwilligen nach Deutschland zurückzuholen. Angesichts der Tatsache, dass Indien den internationalen Flugverkehr mittlerweile eingestellt hat, eine Herausforderung. Aktuell sind noch sechs unserer Freiwilligen in Indien, für die wir uns gemeinsam mit unseren indischen Partnerorganisationen um eine schnellstmögliche und sichere Rückreise bemühen.

Freiwillige in Indien berichten aus der Zeit vor der Rückholaktion, dass sie bei Reisen keine Hotelzimmer bekommen haben, nachdem sie als Deutsche erkannt wurden. Was für ein Perspektivenwechsel! Die Weißen sind auf einmal die Stigmatisierten! Abgesehen davon, dass Stigmatisierungen in jede Richtung abzulehnen sind, helfen uns die Erfahrungen und Berichte sehr, zumindest für einen Moment die Sicht der anderen einzunehmen und am Ende mehr Verständnis und gegenseitiges Verstehen füreinander zu haben.

Dieses gegenseitige Verständnis soll auch durch den weltwärts-Freiwilligendienst gefördert werden. Auch wenn derzeit keine Freiwilligen nach Indien reisen können: Für eine Ausreise im September 2020 können Sie sich dennoch bewerben! Die Auswahlgespräche führen wir derzeit nicht persönlich durch, sondern per Videokonferenz.

Die soeben erschienene Ausgabe unseres Magazins DIZ aktuell ist noch fast gar nicht unter dem Eindruck der Corona-Krise geschrieben worden und ist erstmals ein Geschäftsbericht zum abgelaufenen Jahr 2019. Bei all der Aufregung und Unsicherheit soll nicht untergehen, dass wir gemeinsam im vergangenen Jahr wieder sehr viel erreicht haben: durch Ihre Spenden, Ihre Unterstützung, Ihren Freiwilligen-Einsatz bei unseren Partnern und Einsatzstellen in Indien und Deutschland!

Es soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass die DIZ mit sinkenden und wegfallenden Spenden zu kämpfen haben. Bitte überlegen Sie, ob Sie trotz oder gerade wegen der Coronakrise vielleicht hier und da noch eine „Schippe“ drauflegen können.

Seien Sie achtsam miteinander in Nah und Fern! Herzliche Grüße in schwierigen Zeiten

Dr. Jona A. Dohrmann, DIZ-Geschäftsführer
Frankfurt am Main, 29. März 2020

HINWEIS: Wegen der Corona-Krise ist die DIZ-Geschäftsstelle derzeit nur sporadisch bzw. alternierend besetzt. Sie erreichen uns daher am besten per E-Mail: info@diz-ev.de.